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Mein erster Transalpine Run 2012

Ziel einlauf Kitzbühl Day 3

Wie kommt man eigentlich auf die Idee einen solchen extrem langen Lauf zu machen?

Auf einem bekannten Video Portal suchte ich nach extremen Sport Trailern die mich schon immer interessiert haben. Ich stieß auf den Marathon des Sables und auf den besagten Transalpine Run. Da redete jemand (Neil Rhodes) ein Zitat in die Kamera: Das Leben ist wie eine Geldmünze. Wir können Sie ausgeben wie wir wollen. Aber wir können Sie nur einmal ausgeben. Das ist eine großartige Art und Weise unser Leben zu leben. (org. Lillian Dickson “Life is like a coin. You can spend it any way you wish, but you only spend it once. That is a great way to spend life”) Ich war sofort begeistert und sagte mir: Eines Tages würde ich den auch gern machen!/p>

Es verging etwas Zeit und ich fing an einen ähnlichen bekloppten Läufer zu suchen, der mit mir diesen 8 Tage andauernden Lauf bewältigen wollte. Ihr könnt Euch denken, dass dies zu dieser Zeit noch viel schwieriger war als heute, wo jetzt das Trailrunning eigentlich jedem ein Begriff ist. Nach vielem vergeblichen suchen, traf ich bei einem Grillfest endlich auf einen Gleichgesinnten namens Alfred P. Wir begannen das Gespräch über Bergläufe. Er erzählte mir, dass ein Freund von ihm diesen Lauf bereits gemacht habe und dass er Ihn ebenfalls mal machen wolle. Nun da ich endlich jemanden gefunden hatte der sich den gleichen Traum erfüllen wollte, bekam ich es doch mit Zweifeln und Ängsten zu tun. Ich war mir nicht mehr sicher ob ich diese, damals 320km und 15.000 Höhenmeter bewältigen konnte. Dann nahm meine Frau das Zepter in die Hand und sagte mir den Satz: „Jetzt redest Du schon so lange davon, dass Du dieses Rennen machen willst und jetzt wo Du jemanden gefunden hast kneifst du? Jetzt machst Du den Lauf gefälligst, sonst redest Du noch ewig davon!“

Ich ging noch am gleichen Tag zu Alfred der nur unweit von mir im gleichen Dorf wohnte und erzählte ihm meinen Entschluss. Wir einigten uns auf eine Teilnahme an dem Rennen und begannen, jeder für sich, mit dem Training.

Die Tage flogen nur so dahin und wir machten auch längere Läufe zusammen. Leider knickte ich immer wieder um was mich doch ziemlich hemmte mehr abwärts zu laufen, wenn man davon überhaupt sprechen konnte. Schließlich war ich der Meinung ein Berglauf müsse doch nur aufwärts trainiert werden, denn abwärts ginge es schließlich alleine. Ein schlimmer Fehler den ich beim TAR noch bitter bereuen sollte.
Dann rückte der Tag X näher und näher. Das Umknicken bekam ich mit kinesiologischen Tapes in den Griff. Die Ausrüstung stand, nur mit den Stöcken konnte ich mich nicht anfreunden und stolperte immer wieder darüber so dass ich sie eigentlich immer nur spazieren trug. Egal, dachte ich mir, die brauche ich sowieso nur im Notfall- so zumindest der Plan.

Endlich war der Tag da und ich verabschiedete mich von meiner jüngst größer gewordenen Familie.

Da standen Alfred und ich an der Startlinie in Ruhpolding zwischen all den Menschen, die den gleichen Traum wie wir hegten. Es war schon ein seltsames Gefühl an die ganzen vor uns liegenden Tage zu denken, wissend, dass man jeden Tag einen Marathon mit den ganzen Höhenmetern laufen sollte. Aber wir merkten bald, dass wir damit nicht alleine waren und schlossen schnell mit einigen Mitstreitern Freundschaft.

Egal aus welcher Nation die Menschen auch kommen, man merkt hier, dass alle gerne draußen in der Natur sind und einfach nur gerne laufen. Es ist nicht ein gegeneinander Laufen, sondern mehr ein Miteinander – es wirkt wie eine große Trailrunning Familie. Jeder fragt den anderen wie es ihm geht und ob er Hilfe braucht. Man motiviert sich gegenseitig, freut sich und leidet mit den Anderen mit. Ich glaube das ist auch einer der Gründe, die den TAR so besonders machen. Ein Zugehörigkeitsgefühl das sehr stark ist und dem man sich nicht entziehen kann und vielleicht auch… süchtig macht. Ihr werdet Euch jetzt denken, der ist nicht ganz dicht, wenn er sagt er wird süchtig nach einer Alpenüberquerung zu Fuß, in 8 Tagen, mit Muskelkater, jeden Tag mit Schmerzen an den komischsten Stellen am Körper, vielleicht auch Blasen und anderen Gebrechen, durch Regen und auch mal durch Schnee, einfach unvorstellbar für jeden, der sowas noch nicht mit gemacht hat.

Doch so weit kam es bei mir gar nicht, zumindest fast nicht.

Schon am ersten Tag merkte ich, trotz meiner guten körperlichen Verfassung, dass ich beim abwärts Laufen gegenüber den anderen sehr langsam war. Ich musste förmlich bremsen, so kam es mir zumindest vor. Einer nach dem Anderen überholten mich abwärts und das deprimierte mich sehr und strengte mich zudem ungeheuerlich an. Alfred musste immer wieder auf mich warten, damit der Abstand nicht zu groß wurde. Das letzte Stück ging dann zudem noch flach bis zum Etappenort St. Johann und ich kam Alfred nicht wirklich nach. Ich übergab ihm meine ganze entbehrliche Ausrüstung die ich im Laufrucksack mit mir führte um schneller zu werden und nach einer schier endlosen Geraden kam dann der erlösende Zielbogen. Ich muss sagen, für den ersten Tag war ich schon ganz schön kaputt.

Am zweiten Tag hatte Alfred Geburtstag und er begann erfreulich mit einem improvisierten Geburtstagskuchen. Die harte Beinmuskulatur war für einen Augenblick vergessen und ich freute mich auf die neue Etappe. Der Aufstieg war wirklich wunderschön und zeigte uns die verschiedenen Fassetten des Wilden Kaisers (Gebirgszug). Allerdings bemerkte ich immer wieder ein Stechen und Taubheitsgefühl in meinem rechten Fuß und ich dachte immer, dass ich evtl. den Schuh zu festgeschnürt hatte. Deshalb blieb ich immer wieder stehen um mir den Schuh neu zu binden. Das nervte mich total. Nichts destotrotz ging es weiter um in Kitzbühel anzukommen. Dieser Zieleinlauf war mit sehr schönen Gefühlen verbunden denn Alfred und ich harmonierten an diesem Tag viel besser. Trotzdem hatte ich an dem Tag schon etwas mit mir und dem Fuß zu hadern und ich holte mir Rat bei anderen erfahrenen Läufern, die mich erst mal versuchten zu beruhigen. Trotzdem fand ich in dieser Nacht nicht wirklich die benötigte Ruhe

Ziel einlauf Kitzbühl Day 3

Gespannt war ich am dritten Tag auf den ersten Anstieg. Er ging steil über die legendäre Streif am Hahnenkamm hinauf und ich war schon schwer beeindruckt, dass sich hier die Skifahrer in die Tiefe stürzen. Hier kam ich dann immer wieder in Kontakt mit einem anderen, sehr sympathisch wirkenden Läufer namens Reinhard W. . Dieser fiel mir an anderen Punkten der Strecke immer wieder auf, aber dazu später mehr.

Man fängt hier trotz der vielen Strapazen wirklich an über Gott und die Welt zu sprechen und knüpft die besten Freundschaften. Kaum zu glauben, oder? Tja, man hat wirklich viel Zeit nachzudenken und man beschäftigt sich wirklich viel mit sich selbst und seinen Problemen. Leider wurde ich immer wieder aus meinen Gedanken von einem gleißenden Schmerz, der durch mein Knie fuhr, herausgerissen. Beim letzten Downhill wurde der Schmerz dann unerträglich und ich musste die Stöcke benutzen um hinab zu kommen. Ich verstand die Welt nicht mehr. Ich war einfach fertig von den Strapazen der letzten Tage und den schlaflosen Nächten. Ich konnte nach dem Rennen einfach nicht die vielen Erlebnisse und Eindrücke abschalten. Mit den Schmerzen konnte ich auch meine Gefühle nicht mehr kontrollieren und ich begann zu weinen. Ich versuchte mich immer wieder neu zu motivieren oder abzulenken, aber es gelang mir nicht. In der einen Minute war ich motiviert, in der anderen musste ich wieder anfangen zu weinen, weil ich Angst hatte, dass das Rennen an dieser Stelle für mich zu Ende war.

Es war wirklich kein schöner Anblick mich so zu sehen. Irgendwie kam ich dann doch ins Ziel nach Neukirchen. Ich war im Ziel so niedergeschmettert und Alfred schlug mir, vor ich sollte versuchen den Schmerz  in meinen Beinen mit dem eiskalten Brunnenwasser  in den Griff zu bekommen. Mit mäßigem Erfolg. Wir hatten an diesem Tag ein wunderschönes Hotel mit Schwimmbad und allen Extras, aber ich war einfach nicht in der Verfassung es genießen zu können und lag den restlichen Tag im Bett und haderte wie es wohl weiter gehen sollte. Selbst die Physiotherapeuten, mit denen ich inzwischen eine gute Freundschaft aufgebaut hatte, weil ich jeden Tag zu Ihnen zu einer Massage vorbeikam, hatten viele Ratschläge. Ich hatte trotzdem kein gutes Gefühl und die Schlaflosigkeit bereitete mir zudem noch Probleme. Auch in dieser Nacht fand ich keine Ruhe.

Am nächsten Tag sollte es über die Krimmler Wasserfälle über die Birnlücke endlich in meine Südtiroler Heimat gehen. Das war für mich eine besondere Motivation überhaupt so früh morgens aufzustehen. Der Fuß schmerzte so sehr und es war schwer in die nassen Laufschuhe zu kommen. Schon bei den ersten Schritten fühlte sich der Fuß zäh und taub an. Aber der Wille nach Südtirol zu kommen war stärker. Schon die ersten Kilometer zeigten, dass dies ein sehr langer Tag werden würde. Bei jedem Schritt fühlte es sich so an als würde jemand mit dem Hammer gegen das Schienbein schlagen. Ein wirklich grausamer Schmerz der mich bei jedem Schritt begleitete und mich an nichts anders denken ließ. Das Einzige was mich antrieb war der Gedanke an meine Familie, die ich mir baldigst herbei sehnte aber das würde wohl noch etwas dauern. Auch Reinhard, der normalerweise mit seiner Partnerin Maria hinter mir lief, überholte mich und sah schon, dass es mit mir nicht gut enden würde. Er munterte mich auf und lief dann weiter. Alfred, der die ganze Zeit hinter mir lief, um auf mich aufzupassen, kam an meine Seite. Er sagte mir, dass er es nicht mehr mit ansehen könne, wie ich unter derart großen Schmerzen weiter humpelte. Ich sagte ihm, dass wenn es endlich steiler werde, werde es sicher besser gehen, auch wenn ich wusste, dass es nicht so sein würde. Trotzdem schickte ich Ihn vor sein Tempo zu laufen und beim nächsten Checkpoint auf mich zu warten.

Den Rest des Anstieges habe ich leider nicht mehr so genau in Erinnerung und ich glaube, das ist auch besser so. Am höchsten Punkt der Birnlücke auf 2650m bin ich dann endlich in Südtirol angekommen und ich fühlte mich, zumindest im Herzen, leichter. Der Abstieg begann und an einer Hütte stieß ich wieder auf Alfred, der auf mich mit einem warmen Tee wartete. Ich hatte nicht einmal bemerkt, dass es sehr kalt geworden war und so nahm ich Ihn dankend an. Am Schluss der heutigen vierten Etappe ging es durch ein schönes flach abfallendes mit Almwiesen bewachsenes grünes Tal. An diesem Punkt sagte ich Alfred, dass wir frisch zügig ins Tal nach Prettau laufen. Der Schmerz würde sowieso nicht besser werden, also sollten wir es so schnell es geht zu Ende bringen. Ich wusste irgendwie, dass das meine letzten Meter in diesem Wettbewerb sein würden. Aber etwas in mir sagte, dass ich heute noch überrascht werden würde. Und so kam es dann auch. Im Ziel war ich so abgekämpft und müde, aber was sah ich da? Meine Frau und mein 6 Monate alter Sohn waren zusammen mit meiner Schwiegermutter den weiten Weg angereist um mich zu begrüßen. Ich war so ergriffen Sie wieder zu sehen und schloss sie in meine Arme. Meine Frau sah sofort, dass etwas nicht stimmte und ich bestätigte dies mit großem Kummer.

Ich ging direkt zur Medical Crew. Der Doktor sah sofort was es auf sich hatte und erklärte mir, dass der Transalpine Run für mich wohl frühzeitig zu Ende wäre. Ich sollte aber zur Sicherheit ins Krankenhaus gehen, um mir das Bein anschauen zu lassen. Ich konnte es nicht glauben, dass das ganze Training und die Entbehrungen die ich auf mich genommen hatte, alles um umsonst waren. Es war für mich unbegreiflich. Ich war noch nicht bereit dazu. Aber jeder mit dem ich sprach sagte mir das gleiche und ich könne ja nächstes Jahr wieder teilnehmen, aber dieses Mal war das Rennen für mich zu Ende. Meine Familie wollte mich sofort mit nach Hause nehmen und so fuhren wir direkt ins Krankenhaus in Bruneck um den Fuß gründlich anschauen zu lassen. Die Diagnose war ein Schienbeinkantensyndrom aus Gründen der Überbelastung. Und damit war es amtlich und besiegelt. Ich musste aus dem Rennen aussteigen. Ich konnte es aber immer noch nicht verstehen, fassen, begreifen. Es war wie ein schlechter Traum. Ich berichtete meiner Familie die schlechten Nachrichten. Ich konnte aber einfach noch nicht sofort mit Ihnen Heim kehren, weil ich mit dem Ganzen einfach noch abschließen musste. Ich musste mich von den Menschen, die ich in dieser sehr intensiv gelebten Zeit kennen gelernt hatte, erst verabschieden. Und so ließ mich meine Familie schweren Herzens ein weiteres Mal ziehen, mit meinem Versprechen, morgen mit dem Zug Heim zu kommen. Ich fuhr also mit dem nächsten Bus wieder bis ans Ende des Tales nach Prettau zur Pastaparty, wo die anderen übrig gebliebenen Teilnehmer alle waren. Ich erzählte Alfred und den anderen von meinem Unglück und meinem Entschluss aufgeben zu müssen. Ich war wirklich sehr traurig, aber die lieben Menschen die ich kennen lernen durfte machten mir wieder Mut es ein anderes Mal zu versuchen. Diese Nacht schlief ich mit großen Schmerzen im Zimmer der Pension erschöpft ein.

Am nächsten Tag offenbarte mir die zurück gezogene Bettdecke die nackte Realität. Der Fuß war bis zum Knie derart angeschwollen und glühte Rot, dass man die Verletzung unmöglich mehr hätte leugnen können. In den Schuh kam ich nun überhaupt nicht mehr hinein und so schlüpfte ich in die Flipflops. Mir war das sowas von Scheißegal und so ging ich dann frühstücken und begann die letzten Stunden der TAR Luft in mich aufzusaugen und mich von dem Ganzen zu verabschieden. Ich redete mit allen die ich über die Tage kennen gelernt hatte. So auch mit Reinhard und seiner wundervollen Familie, Gisela und Raphael, der mir versprach, dass wir uns sicher einmal wieder sehen würden. Eine schicksalhafte Begegnung, was wir aber damals noch nicht wussten. Ich merkte aber gleich, dass Sie etwas Besonderes sind und in meinem Leben noch mal eine große Rolle spielen würden.  Ich fuhr noch mit einer Isländerin, die ein Team begleitete, per Anhalter bis zum nächsten Etappenort Sand in Taufers, um hinter die Kulissen zu schauen und mich von den restlichen Menschen, so auch den Physiotherapeuten vom Outdoor Physio Team und den Organisatoren von Plan b zu verabschieden. Dann nahm ich den Zug und machte mich auf den Weg nach Hause. Hier erwartete mich meine Familie liebevoll und ich konnte mit dem Transalpine Run abschließen.

Vorerst 😉

(Links neben mir steht Neil Rhodes der mit seinen magischen Worten mich gebracht hat den Transalpine Run zu bestreiten)

“Life is like a coin. You can spend it any way you wish, but you only spend it once“

Hier unten das Video das ich damals gesehen habe !

www.wisthaler.com - Harald Wisthaler

Lord Jens Kramer

Geboren am 23. Mai 1979, wohnhaft in Steinegg (BZ) Südtirol auf 850m Meereshöhe. Glücklicher Familienvater von zwei wunderbaren Kindern.

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